Wie die Deklination ein Familienglück zerstörte
Werwölfe mag man nicht. Vor Werwölfen hat man Angst, man gruselt sich vor ihnen. Und niemals hat man Mitleid mit Werwölfen, wenn sie getrieben, gejagt und getötet werden.Was aber Christian Morgenstern seinen Werwolf in einem Gedicht erleben lässt, rührt fast zu Tränen.
Der Werwolf
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: "Bitte beuge mich!"
Der Dorfschullehrer stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
"Der Werwolf", sprach der gute Mann,
"des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
den Wenwolf, - damit hat's ein End."
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle.
Er rollte seine Augenbälle.
"Indessen", bat er, "füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"
Der Dorfschulmeister aber musste
gestehn, dass er von ihr nichts wusste.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
(Christian Morgenstern)