Verwandlungskünstler

Die „Zaubertricks“ der deutschen Verben   

In kaum einer anderen Sprache sind die Verben derart wandlungsfähig wie im Deutschen. Bei ihren „Zaubertricks“ assistieren ihnen Vorsilben verschiedenster Art, die die Bedeutung des Grundverbs nicht selten gänzlich verändern. Mit ihrer Hilfe können Sachverhalte präziser ausgedrückt und eleganter formuliert werden. Es gibt Verben, die Verbindungen mit einem ganzen Heer von Vorsilben eingehen können und jedes Mal ändert sich die Bedeutung.

Besonders wandlungsfähige Verben

  1. gehen: Spontan fielen mir elf mögliche Vorsilben für das Verb gehen ein – mit einer Liste von Vorsilben wurden es bedeutend mehr (wahrscheinlich sind mir trotzdem einige Möglichkeiten entgangen [womit auch gleich eine Verbform mit „gehen“ verwendet wurde]): angehen, aufgehen, ausgehen, begehen, durchgehen, eingehen, einhergehen, entgegengehen, entgehen, ergehen, fortgehen, heimgehen, heruntergehen, hervorgehen, hinaufgehen, hinausgehen, hineingehen, hintergehen, hinuntergehen, losgehen, mitgehen, nachgehen, niedergehen, übergehen, umgehen, umhergehen, untergehen, vergehen, vorbeigehen, vorgehen, weggehen, zergehen, zugehen, zurückgehen 
  2. fallen: Nicht so vielseitig wie gehen, aber dennoch beeindruckend: abfallen, anfallen, auffallen, ausfallen, befallen, durchfallen, entfallen, gefallen, hinfallen, herunterfallen, hinausfallen, hinunterfallen, missfallen, niederfallen, überfallen, umfallen, verfallen, vorfallen, zerfallen, zufallen, zurückfallen, zusammenfallen
  3. stehen: abstehen, anstehen, aufstehen, ausstehen, beisammenstehen, beistehen, bereitstehen, bestehen, dastehen, einstehen, entstehen, erstehen, gestehen, hervorstehen, herumstehen, missverstehen, nachstehen, verstehen, vorstehen, wegstehen, zurückstehen, zustehen

 

Damit aber noch nicht genug der Bedeutungsvielfalt: viele dieser Wörter haben nicht nur eine, sondern zwei oder mehrere Bedeutung. So kann beispielsweise untergehen im Sinne von „das Schiff geht unter“, „die Sonne geht unter“ als auch im Sinne von „er hatte das Gefühl, in der Menge unterzugehen“ gebraucht werden. Ähnlich verhält es sich mit vorgehen, das wie in „Lass mich bei dieser gefährlichen Tour vorgehen!“ oder wie in „Die Gesundheit muss vorgehen“ gebraucht werden kann.

Falls Ihnen noch weitere besonders „trickreiche“ Verben einfallen, freue ich mich über Ihre Vorschläge!

Kommentare (8) -

  • ich habs zuerst mit "liegen" probiert, da kam nicht so viel raus, aber mit "legen" gehts recht gut:
    erlegen, unterlegen, zerlegen, belegen, anlegen, umlegen, weglegen, hinterlegen, vorlegen, auflegen, auslegen, nachlegen, zulegen, einlegen, loslegen, zurücklegen, zusammenlegen, ablegen, darlegen, darauflegen, fortlegen, hinlegen, hinauslegen, hineinlegen, niederlegen, zurechtlegen, bereitlegen
  • Mit lassen gibt's auch viel:
    belassen, entlassen, fortlassen, herlassen, herauflassen, hinlassen, herunterlassen, hinauslassen, hineinlassen, loslassen, vorbeilassen, weglassen, zurücklassen, erlassen, hinterlassen, zerlassen, verlassen, gelassen, nachlassen, zulassen, ablassen, auslassen, vorlassen
  • Hallo!


    "vorgehen" hat noch eine weitere Bedeutung im Sinne von, a) was geht gefühlsmäßig in jemandem vor bzw. b) im Sinne von "was ist los?"

    z.B. a) Ich frage mich, was in ihm vorgeht.
    b) Was geht hier vor?


    Gruß

    Claudi


    PS: Meine DaZ-Schüler sind immer wieder von Vorsilben und deren Bedeutungsveränderung verblüfft bzw. verwirrt.
  • sehen:


    absehen
    ansehen
    aussehen
    besehen
    durchsehen
    ersehen
    hinsehen
    nachsehen
    übersehen
    versehen
    vorsehen
    wegsehen
  • Vielen Dank für Ihre Vorschläge!
    Stimmt, Claudi, "vorgehen" hat mehr als die oben genannten Bedeutungen! Danke für die Ergänzung!

    Interessant wäre auch eine kleine Studie zu Verben, die keine einzige Verbindung mit Vorsilben zulassen (sozusagen das Gegenteil der Verwandlungskünstler), z.B. telefonieren, kopieren ...
    Vielleicht gibt es dazu bald einen Artikel!

    Liebe Grüße,
    Barbara
  • Noch eine Bedeutung von "vorgehen":
    Wie wollen wir bei der Lösung des Problems vorgehen?
  • Abtelefonieren steht im Duden, jedoch in einer anderen Bedeutung, als sie geläufig ist. Antelefonieren, durchtelefonieren, vertelefonieren stehen ebenso im Duden. Ob lostelefonieren, umhertelefonieren, nachtelefonieren oder mittelefonieren wertvolle Wortschöpfungen sind, muss wohl die Zukunft zeigen.

    Lehnwörter können üblicherweise keine (deutschen) Vorsilben haben, vgl. etwa flanieren, kopieren, genesen.

    Warum ich eigentlich schreibe: Ich finde es bemerkenswert, dass einige Vorsilben sowohl einzeln sowie als Paar bedeutungsgebend sein können. Ich meine damit nicht nur die "echten" zusammengesetzten Vorsilben wie 'voraus', die bereits eine Bedeutung vorgeben (z.B. voraus|sehen neben vorsehen, aussehen), sondern beispielsweise mit dem Verb 'schlagen' die Silben 'an' und 'ver': schlagen, anschlagen, verschlagen, veranschlagen. Hierbei ist übrigens auch noch die Reihenfolge relevant, vgl. trauen, antrauen, vertrauen, anvertrauen.

    Schöne Grüße, Steffen
  • "halten" passt vielleicht auch gut in die Kategorie?

    behalten
    zuhalten
    durchhalten
    zurückhalten
    durchhalten
    hinhalten
    erhalten
    vorhalten
    enthalten
    aushalten
    aufhalten
    anhalten
    hochhalten
    unterhalten
    verhalten

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