Als Wilhelm nicht von seinem Thron lassen wollte
Vorgeschichte
Nach der Reichsgründung im Jahre 1871 wurde der Ruf nach einer Vereinheitlichung der deutschen Rechtschreibung, den es schon lange gab, besonders deutlich, da die schriftliche Kommunikation im Reich durch die verschiedenen Varianten der Rechtschreibung massiv gestört wurde. Also wurde 1876 die Erste Orthographische Konferenz einberufen, um über eine „Herstellung größerer Einigung“ in der Rechtschreibung zu verhandeln. Reichskanzler Otto von Bismarck verhinderte mit seinem Vetorecht jedoch die Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz.
Zweite Orthographische Konferenz
Im Juni des Jahres 1901 berieten Politiker, Verlags- und Druckereivertreter und Germanisten drei Tage lang in Berlin über die „Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung“ – bekannt wurde diese Zusammenkunft unter dem Namen „Zweite Orthographische Konferenz“. Die Normierung der Rechtschreibung erfolgte auf der Basis des preußischen Schulregelwerks und des damals schon weit verbreiteteten orthographischen Wörterbuchs von Konrad Duden.
Man kann die Ergebnisse der Konferenz schwerlich als Reform bewerten, da keine systematischen Neuregelungen vereinbart wurden, sondern ein einheitlicher Standard für die deutschsprachigen Länder vereinbart wurde. Die Beschlüsse waren also keine Festlegung neuartiger Schreibweise, sondern eher eine Auswahl aus bereits üblichen Varianten. Das hatte zur Folge, dass so manch haarsträubende Ausnahmeregelung bar jeder Grundlage für Jahrzehnte einzementiert wurde und den Sprachbenutzern bis heute Schwierigkeiten bereitet.
Beschlüsse der Konferenz
Im Nachfolgenden sind einige Beschlüsse der Konferenz aufgezählt:
- In deutschen Wörtern entfiel das h nach dem t (z. B. Tür statt Thür). In Fremdwörtern blieb das h weiter bestehen (z.B. Theater, Thema). Dazu wurde die Anekdote überliefert, dass Kaiser Wilhelm II. persönlich einwirkte, um das th in Thron zu erhalten.
- Auslautendes –niß wurde zu –nis, weil die Silbe nicht betont wird (z.B. Geheimnis).
- Man beschloss die konsequentere Integrierung von Fremdwörtern in das deutsche Schriftsystem:
- je nach Aussprache Ersetzung von c durch k oder z (z.B. Akzent, Redakteur)
- Fremdwörter auf –iren endeten nun einheitlich auf –ieren (z.B. regieren)
- Festlegung einiger Einzelwortschreibungen (z.B. Literatur statt Litteratur, Droge statt Drogue, Schal statt Shawl)
- In vielen Fällen ließ man zwei Varianten der Schreibung zu (z.B. Brennessel neben Brennnessel). Erst in den darauffolgenden Jahren entschied man sich für eine Variante.
- Zur Silbentrennung wurde beschlossen, dass pf und dt immer, st dagegen nie getrennt werden durfte.
- Zur Getrennt- und Zusammenschreibung und zur Zeichensetzung gab es keine Regelformulierungen.