Wie die Blasen eines Ausschlags

Wir trennen, also sind wir!  

Womit kann man jedem Deutschlerner ein gequältes Stöhnen entlocken? Richtig! Mit den trennbaren Verben! Wie zu jeder Besonderheit der deutschen Sprache äußerte sich Mark Twain in seinem Aufsatz „Die schreckliche deutsche Sprache“ auch zu diesem sprachlichen Phänomen: „Die deutsche Grammatik ist übersät von trennbaren Verben wie von den Blasen eines Ausschlags; und je weiter die zwei Teile auseinandergezogen sind, desto zufriedener ist der Urheber des Verbrechens mit seinem Werk.“

Zur Untermauerung bringt er folgendes Zitat: „Da die Koffer nun bereit waren, REISTE er, nachdem er seine Mutter und Schwester geküsst und noch einmal sein angebetetes Gretchen an den Busen gedrückt hatte, die, in schlichten weißen Musselin gekleidet, mit einer einzigen Teerose in den weiten Wellen ihres üppigen braunen Haares, kraftlos die Stufen herab gewankt war, noch bleich von der Angst und Aufregung des vergangenen Abends, aber voller Sehnsucht, ihren armen, schmerzenden Kopf noch einmal an die Brust dessen zu legen, den sie inniger liebte als ihr Leben, AB.“  

Im Dschungel der Vorsilben

Es gibt genaue Regeln darüber, welche Vorsilben trennbar (z.B. ab-, an-, aus-, bei- … abfahren, ankommen, aussteigen, beistehenDer Zug fährt in drei Minuten ab.) und welche untrennbar (z.B. be-, emp-, ent-, er- … befragen, empfinden, entschließen, ertragenDer Polizist befragt den Zeugen.) sind. Daneben gibt es eine Reihe von Verben, deren Vorsilben sowohl trennbar als auch untrennbar sind (z.B. umfahren, durchbrechen usw.). Diese Verbgruppe ist so interessant, dass ihr demnächst ein eigener Artikel hier im Wunderland Deutsch gewidmet werden soll.

Von EMbargos und anderen ProblEMen

Noch einmal König Fußballs Wortschätze 

Das Wunderland Deutsch hat bereits einen Artikel zu den sprachlichen Aspekten des derzeitigen sportiven Großereignisses in Österreich und in der Schweiz veröffentlicht. Hier folgt der zweite. Allen fußballmüden Leserinnen und Lesern sei an dieser Stelle die folgende Homepage empfohlen, deren Aktion zur EM jeden Sprachliebhaber begeistern wird: EMbargo 2008 (www.fussball-muffel.ch).  

Denjenigen, die jetzt noch im Wunderland verblieben sind, soll eine Zusammenstellung von Redensarten rund um „problematische Ereignisse“ während des Fußballspiels präsentiert werden: 

  • ins Abseits geraten (gesellschaftlich abrutschen)
  • im Abseits stehen (nicht im Mittelpunkt des Geschehens sein; sich zurückgezogen haben)
  • sich ins Abseits stellen (sich außerhalb einer Gruppe stellen)
  • ein Eigentor schießen (einen Schaden selbst verursachen)
  • jdm. die gelbe Karte zeigen / die gelbe Karte bekommen (Verwarnung; ernstlicher Verweis)
  • jdm. die rote Karte zeigen / die rote Karte bekommen (das Ende einer Beziehung, Anstellung …)
  • auf der Reservebank sitzen ((noch) nicht zum Einsatz kommen)

 

Juni

Junos Genitiv 

Unser sechster Monatsname, Juni, geht auf die lat. Bezeichnung (mensis) Iunius zurück: „der Göttin Juno geweiht“. Im Laufe des 16. Jahrhunderts löste „Juni“ den alten deutschen Monatsnamen „Brachmonat“ ab, der davon zeugt, dass in der mittelalterlichen Dreifelderwirtschaft in diesem Monat die Bearbeitung der Brache begann. Die heute gebräuchliche Form entwickelte sich aus dem lateinischen Genitiv Iunii. 

Andere Namen für den sechsten Monat: Brachmonat, Rosenmonat

 

 

König Fußball und seine Wortschätze

Der Beitrag des Wunderlands zur Euro 2008  

Die Fußball-Europameisterschaft ist seit Monaten allgegenwärtig, vor allem in Österreich und in der Schweiz. Das Wunderland Deutsch kümmert sich nicht so sehr um die sportlichen, sondern eher um die sprachlichen Aspekte dieses Großereignisses und präsentiert eine Zusammenstellung der Redensarten rund um das „Objekt der Begierde“, den Ball. 

  • am Ball sein (aktiv sein; Einfluss gewinnen)
  • den Ball zurückspielen (schlagfertig sein)
  • den Ball abgeben (Verantwortung/Amt ablegen)
  • den Ball an jemanden weiterspielen (jdn. zu einer Stellungnahme auffordern)
  • den Ball aufnehmen (das Wort ergreifen; einen Gedanken weiterführen)
  • den Ball flach halten (unnötiges Risiko vermeiden)
  • den Ball hin- und herschieben (sich vor Verantwortung drücken)
  • den Ball im Spiel halten (sich nicht ablenken lassen)
  • jdm. den Ball auflegen (jdm. die Möglichkeit bieten, ans Wort zu kommen)
  • sich gegenseitig die Bälle zuspielen (einander zu Vorteilen verhelfen)

„Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“

Kofferwörter im Deutschen 

Michael Ende hat das Prinzip der Kofferwörter mit seinem „Wunschpunsch“ humorvoll übersteigert und mit insgesamt sieben Teilen ad absurdum geführt. Kürzere Kofferwörter, zum Teil schon in den täglichen Sprachgebrauch übergegangen, kommen häufiger vor (z.B. "Motel" (= Motor + Hotel), "Transistor" (= engl. transfer + resistor), "Schlepptop" (= schleppen + Laptop)).

Kofferwörter sind Kunstwörter aus meist zwei Wörtern, die bei ihrer Verschmelzung zu einem inhaltlich neuen Begriff Wortteile tilgen können. Der Begriff „Kofferwort“ stammt aus einem anderen Wunderland, nämlich aus „Alice im Wunderland“. Lewis Carroll verglich darin ein zusammengesetztes Wort mit einem Handkoffer. Demzufolge sammelt man in einem Kofferwort Teile von Wörtern.  

Kofferwörter in Werbung und Medien

Besonders gern arbeiten Werbung, Markennamen und Medien mit Kofferwörtern. So war beispielsweise „Teuro“ 2002 das österreichische Wort des Jahres und setzt sich aus „teuer“ und „Euro“ zusammen. Der allseits bekannte Markenname „Nescafé“ ist ein Kofferwort aus „Nestlé“ und „Café“ und Bildungen wie „Demokratur“ (= Demokratie + Diktatur) oder „Schweißheilige“ (= Schweiß + Eisheilige) entstammen den Medien. Als kreativste Berufssparte in Bezug auf Kofferwörter sind jedoch die Friseure anzuführen: von Haarlekin, Haarley, Haarmonie über Haarlem, Haarem, creHaartiv, 4 Haareszeiten bis HairGott, Hairlich, Hairport oder Hairlights ist alles anzutreffen.

 

Achtung Präsens!

Wie das Präsens immer mächtiger wird 

Die Tempusformen des Deutschen sind sehr flexibel und stimmen mit den ihnen zugewiesenen Zeitstufen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) nicht immer überein: Die Verhältnisse sind bei weitem nicht so geordnet, wie die Termini Präteritum, Präsens, Futur usw. suggerieren. Die grammatischen Tempusformen sind mehrdeutig und entsprechen nicht sechs einfachen Zeitbedeutungen. Am deutlichsten zeigt sich dies beim heutigen Gebrauch des Präsens, das ein besonders großes Tätigkeitsfeld aufweist: 

10 Anwendungen des Präsens 

  1. Gegenwart: Sie liest ein Buch.
  2. Wiederholung: Sie kommt jeden Tag um sechs Uhr nach Hause.
  3. Zukunft (statt Futur I): Sie fährt morgen nach Frankfurt.
  4. Vermutung: Wahrscheinlich kommt sie zur Party.
  5. Dauer: Die Donau fließt ins Schwarze Meer.
  6. Allgemeingültigkeit: Geld ist ein wertvoller Rohstoff.
  7. Aufforderung (statt Imperativ): „Du kommst jetzt sofort her!“
  8. historisches Präsens: Am 14. Juli 1789 beginnt der Sturm auf die Bastille.
  9. registrierendes Präsens: 1543 – Kopernikus‘ Weltbild erscheint in gedruckter Form.
  10. In der Zukunft abgeschlossene Handlung: Sie kommt gleich wieder zurück.

Aus für das Futur I? 

Die Präsensformen untergraben v.a. den Wirkungsbereich des Futur I. In den meisten Fällen, in denen etwas Zukünftiges ausgedrückt werden soll, findet das Präsens samt Zeitangabe (morgen, nächste Woche, bald) Anwendung. Das Futur I wird deshalb nicht verschwinden. Es ist jedoch eine Entwicklung in Richtung modaler Bedeutung erkennbar (z.B. Sie wird später wohl die Bäckerei übernehmen).

Mai

Von Wonnen und Weiden 

Unser Wort „Mai“ (ahd. meio, mhd. meie) als Bezeichnung für den fünfen Monat des Gregorianischen Kalenders stammt vom lateinischen Wort (mensis) Maius ab, das auf den altitalischen Gott Maius, den Gott des Frühlings und den Beschützer des Wachstums zurückzuführen ist. 

Andere Namen für den fünften Monat: Blumenmonat, Wonnemonat (vom ahd. Wort wunnimanot, das eigentlich „Weidemonat“ bedeutet und darauf hinweist, dass im Mai das Vieh wieder auf die Weide getrieben werden kann).

Wörter wie alphabetische Prozessionen

Wenn Wörter eine Perspektive aufweisen 

Die deutsche Sprache ist ein fruchtbares Feld für Wortneuschöpfungen. Theoretisch ist es im Deutschen möglich, täglich ein Wort zu erfinden, das noch niemals zuvor jemand verwendet hat. Das ist fantastisch und  eine der augenfälligsten Besonderheiten des Deutschen. Und vor allem ist es den Komposita zu verdanken. 

Komposita sind zusammengesetzte Wörter wie z.B. Schriftzug oder Kinderbuch. Bemerkenswert dabei ist, dass nicht nur zwei Wörter zusammengesetzt werden können, sondern auch drei- und vierteilige Komposita keine Seltenheit darstellen (z.B. Frühlingsknotenblume, Kinderspielplatzwiese).  

Für Muttersprachler stellt das Zusammenfügen von Wörtern zu einem Kompositum kein Problem dar, weil die Notwendigkeit von Fugenlauten oder des implizierten Genitivs automatisch erkannt wird. So heißt es zwar Tagewerk, aber Tageslicht und Nachtlicht. Es hießt Kindergarten, Kindesentführung und Kindsmutter. Im Fremdsprachenerwerb müssen Komposita überwiegend als Ganzes gelernt werden, weil es keine generelle Regel für ihre Bildung gibt. 

Mark Twain – ihm wurde im Wunderland Deutsch bereits ein Artikel gewidmet – hatte wie die meisten Deutschlerner Schwierigkeiten mit dem Prinzip Kompositum. Die Länge der deutschen Wörter stellte für ihn die „seltsamste und merkwürdigste Besonderheit“ des Deutschen dar: Einige deutsche Wörter seien so lang, dass sie eine Perspektive aufweisen. Freundschaftsbezeigungen oder Stadtverordnetenversammlungen seien keine Wörter, sondern „alphabetische Prozessionen“: „Man kann jederzeit eine deutsche Zeitung aufschlagen und sie majestätisch quer über die Seite marschieren sehen.“ 

Das wohl berühmteste Kompositum ist Donaudampfschifffahrtskapitänskajüte samt Variationen. Und ein Videotipp für alle Barbaras: http://video.google.de/videoplay?docid=7984693450997973834

... wenn ein Goethe-Denkmal durch die Bäume schillert

Fragen mit Sprachwitz 

„Können Glatzköpfe auch mal eine Glückssträhne haben?“ „Aus welchem Material ist eine Holz-Eisenbahn?“ – Solche und ähnliche Fragen beschäftigen zwar nicht die Welt, erfreuen uns jedoch ob ihres Sprachwitzes ungemein. Mit Dank an Christine hier einige weitere vor Sprachwitz sprühende Fragen. 

  • Ist es bedenklich, wenn im Park ein Goethe-Denkmal durch die Bäume schillert?
  • Beantwortet die große Kerze die Frage der kleinen Kerze, ob Durchzug gefährlich sei, mit den Worten: 'Davon kannst du ausgehen'?
  • Warum gibt es kein anderes Wort für Synonym?
  • Was passiert, wenn man sich zweimal halbtot gelacht hat?
  • Macht man den Meeresspiegel kaputt, wenn man in See sticht?
  • Was machen die Fahrer von Automatikwagen in einem Schaltjahr?
  • Können sich Eltern, die sich mit ihrer Tochter verkracht haben, überhaupt irgendwann mit ihr aussöhnen?
  • Heißen Teigwaren Teigwaren, weil sie vorher Teig waren?
  • Macht vier plus vier sieben wenn man nicht acht gibt?
  • Können Stammgäste überhaupt auf einen grünen Zweig kommen?
  • Kommen kleine Leute nach einer Steuererhöhung eigentlich noch an ihr Lenkrad?
  • Könnte man sich nicht das Verbandszeug sparen, wenn man sich das Knie gleich an Pflastersteinen aufschlägt?
  • Ist ein Keks, der unter einem Baum liegt, nicht ein wunderbar schattiges Plätzchen?
  • Wenn ein Schäfer seine Schafe verhaut, ist er dann ein Mähdrescher?
  • Kann man sich den Arztbesuch sparen, wenn man schon in der Telefonzentrale verbunden wird?
  • Darf man in einem Weinkeller auch mal lachen?
 

April

Die sprachlichen Launen des vierten Monats 

Unser heutiger Name für den vierten Monat im Jahr setzte sich erst im 18./19. Jahrhundert endgültig gegen das ältere einheimische Wort „Ostermonat“ (ahd. ostarmanod, mhd. ostermanot) durch. „April“ (ahd. abrello, mhd. abrille) stammt vom lateinischen Wort „Aprilis“, dessen Herkunft nicht sicher geklärt ist. Eine mögliche Erklärung wäre der Bezug zu lat. „aperire“ = öffnen, das thematisch mit dem Frühling und der sprießenden Natur in Verbindung gebracht werden kann. 

Andere Namen für den vierten Monat: Ostermonat, Wandelmonat, Launing

Monatsnamen

Woher die Namen unserer Monate stammen

Wir gebrauchen sie fast täglich, die Namen unserer zwölf Monate. Doch was bedeuten unsere Monatsnamen und woher stammen sie? Das Wunderland Deutsch widmet sich ein Jahr lang dieser Frage und monatlich wird ein Artikel zur Etymologie der Monatsnamen erscheinen.

Vorwegnehmend kann auf den römischen Einfluss der heute gebräuchlichen Namen verwiesen werden, die die alten deutschen Bezeichnungen im Laufe der Zeit verdrängten.

Ein Esel lese nie

Lebensweisheiten, Geschichtsunterricht, Tatsachen: Palindrome   

Palindrome sind Wörter oder Sätze, die sowohl vorwärts als auch rückwärts gelesen werden können. Wortpalindrome sind z.B. „Retter“, „stets“, „Rentner“, „Lagerregal“ oder „Reliefpfeiler“. Namenspalindrome sind z.B. „Anna“, „Hannah“ oder „Otto“.  

Satzpalindrome

Es gibt unglaublich viele Satzpalindrome. Im Folgenden sollen einige besonders kreative und "sinnreiche" Exemplare präsentiert werden.

 

Lebensweisheiten, die den Alltag erleichtern:

  • Lege an eine Brandnarbe nie Naegel.
  • Leg’ in eine so helle Hose nie’n Igel.
  • Reib’ nie ein Bier.
  • Vitaler Nebel mit Sinn ist im Leben relativ.
  • Reit nie tot ein Tier.
  • Sei fein, nie fies!
  • Sei lieb – nebenbei lies!
  • Eine güldne, gute Tugend: Lüge nie!

Historisches, das so manchen Geschichtsunterricht unterhaltsamer machen würde:

  • Nie, Knabe, nie grub Nero neben Orenburg eine Bank ein!
  • Zeus massierte Treiss am Suez.
  • Nie grub Ramses Marburg ein.

Aufforderung an alle Leos, Leonis, Amalias und Regines:

  • Leo, lege nie diese Seide in Egeloel!
  • Leo, spar’ Rapsoel!
  • Leoni, leg Antons Notnagel in Oel!
  • Nie, Amalia, lad’ ’nen Dalai Lama ein!
  • Regine, wette weniger!

Von vorn bis hinten Tatsachen:

  • Erika feuert nur untreue Fakire.
  • Leo hortet Rohoel.
  • Otto sah ’nen Has, Anna. (Ein besonders kreatives Beispiel!)

Und am Ende speziell für Udo Jürgens: O du relativ vitaler Udo!

Da bleibt nur noch eins zu sagen: ”O Genie, der Herr ehre dein Ego!”

  

Tipp: Eine ausführliche Palindromliste findet sich unter http://www. palindrom.de

Tempusse, Visas und Abstraktums

... Pluralbildung heute  

Die Pluralbildung im Deutschen ist kompliziert. Muttersprachler merken das üblicherweise nicht, außer wenn es sich um Fremdwörter handelt. Da wird es plötzlich zunehmend komplizierter und es tauchen Formen wie Modusse, Genusse, Internas oder Visas auf.

Die Schwierigkeiten bei der Pluralbildung von Fremdwörtern führen dazu – und das ist ein Beweis für die besondere Flexibilität unserer Sprache, dass Wörterbücher Doppelformen einführen und sowohl die Stammflexion (z.B. Globen; identisch mit der Pluralform der Ausgangssprache) als auch die Grundformflexion (z.B. Globusse; Eingliederung in ein Pluralparadigma des Deutschen) verzeichnen. 

Beispiele hierfür sind etwa:

  • Atlas – Atlanten/Atlasse
  • Espresso – Espressi/Espressos
  • Pizza – Pizze/Pizzen/Pizzas
  • Konto – Konti/Konten/Kontos
  • Komma – Kommas/Kommata usw.

Andere Fälle der Analogiebildung dagegen sind systemwidrig wie die oben erwähnten Genusse, Visas, Tempusse, Modusse, Astraktums usw.

Kein Grund zur Aufregung  

Oft wird Bedauern darüber ausgedrückt, dass der Plural von Fremdwörtern „falsch“, d.h. einem deutschen Paradigma entsprechend, gebildet wird. Dem muss mit Bedauern ob des Unwissens entgegengehalten werden, dass der Prozess der Aufnahme von Fremdwörtern und der Eindeutschung ihrer Pluralformen schon einige Zeit währt. Oder benützt heute noch jemand Praxeis (statt Praxen), Radii (statt Radien), Epē (statt Epen), Alba (statt Alben) oder Villae (statt Villen)? Eben.

Buchtipp: Helmut Glück/Wolfgang Sauer: „Gegenwartsdeutsch“

 

 

Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache

Wilhelm von Humboldt - Sprachgenie, Politiker und Wissenschaftler 

„Die Vermessung der Welt“, der Bestseller von Daniel Kehlmann, der seit Jahren die Verkaufslisten nicht nur in den deutschsprachigen Ländern anführt, widmet sich Alexander von Humboldt, dem Bruder von Wilhelm. Es steht außer Diskussion, dass Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) zu den Helden der deutschen Sprache gezählt werden kann und dass es an der Zeit wäre, ihm eine ähnlich erfolgsträchtige literarische Hommage zu widmen.

Obwohl die fruchtbarste Zeit seiner Sprachstudien erst 1820, nachdem er sich enttäuscht aus dem politischen Leben zurückgezogen hatte, begann, gilt er als Begründer der vergleichenden Sprachforschung und –wissenschaft. Schon als 13-jähriger sprach Wilhelm fließend Griechisch, Latein und Französisch. Später erlernte er Englisch, Italienisch, Spanisch, Baskisch, Ungarisch, Tschechisch und Litauisch. Diese umfangreichen Sprachkenntnisse erleichterten ihm seine Sprachstudien, in denen er sich hauptsächlich den Eingeborenensprachen Amerikas, dem Koptischen, dem Altägyptischen, dem Chinesischen, dem Japanischen und dem indischen Sanskrit widmete. In seinem Menschenbild spielte Sprache die Schlüsselrolle: „Denn da das menschliche Gemüt die Wiege, Heimat und Wohnung der Sprache ist, so gehen unvermerkt, und ihm selbst verborgen, alle ihre Eigenschaften auf dasselbe über“.

In den letzten Jahren seines Lebens schreibt Wilhelm „Über die Kawi-Sprache auf der Insel Java“, dem er die einleitende Abhandlung „Über die Verschiedenheiten des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“ voranstellt. Diese Einleitung stellt die Summe seiner Sprachreflexion und seiner empirischen Sprachforschungen dar und sein Ruhm bleibt dauerhaft mit ihr verbunden.

Alexander schreibt nach dem Tod von Wilhelm über dessen sprachwissenschaftliche Bestrebungen: „Er hat neben sich entstehen sehen und mächtig gefördert eine neue allgemeine Sprachwissenschaft, ein Zurückführen des Mannigfaltigen im Sprachbau auf Typen, die in geistigen Anlagen der Menschheit gegründet sind: Den ganzen Erdkreis in dieser Mannigfaltigkeit umfassend, jede Sprache in ihrer Struktur ergründend, als wäre sie der einzige Gegenstand seiner Forschungen gewesen, (…) war der Verewigte nicht nur unter seinen Zeitgenossen derjenige, welcher die meisten Sprachen grammatikalisch studiert hatte; er war auch der, welcher den Zusammenhang aller Sprachformen und ihren Einfluss auf die geistige Bildung der Menschheit am tiefsten und sinnigsten ergründete.“

lmnt

Wörter aus Aussprachesilben 

Die einzelnen Buchstaben a, b, c … sprechen wir aus wie a – be – ze – de – e – ef – ge – ha – i – jot – ka … usw. So lässt sich aus den Aussprachesilben ha für h, u für u und be für b beispielsweise ha-u-be = Haube oder aus en für n und te für t en-te = Ente zusammenfügen. Aus lb wird Elbe, aus qp Coupé, aus bid beide oder aus tur teuer.

Im Folgenden gibt es eine Auswahl längerer Wörter, die man auf diese Art bauen kann: 

  • Sechs Buchstaben (wenn ausgesprochen): slei, ghb, gwb, trn (= Es-el-ei, Ge-ha-be, Ge-we-be, te-er-en)
  • Sieben Buchstaben (wenn ausgesprochen): bhun, ghun (= be-ha-u-en, ge-ha-u-en)
  • Acht Buchstaben (wenn ausgesprochen): lmnt (= El-em-en-te)
  • Zehn Buchstaben (wenn ausgesprochen) und damit das längste Wort, wenn jede Silbe nur einmal zugelassen wird: btiguc (= Be-te-i-ge-u-ze; ein Stern)

aus: Cus: „Der Coup, die Kuh, das Q. Das erstaunlichste Deutsch-Buch aller Zeiten"

Sonntag

Der Tag, den wir der Sonne widmeten

Bei der alt- und mittelhochdeutschen Bezeichnungen sunnūn tag bzw. sun[nen]tac handelt es sich genauso wie bei dem englischen Wort Sunday und dem schwedischen söndag um Wiedergaben und Entlehnungen des lateinischen dies Solis (Tag der Sonne). Die Bezeichnungen in den romanischen Sprachen  (z.B.  französisch dimanche und spanisch domingo (= Tag des Herrn) gehen auf christlichen Einfluss zurück und ersetzten den heidnischen Namen. 

Was noch wissenswert ist:

Ursprünglich bezeichnete der Begriff Sonntagskind eine Figur der europäischen Volkskunde. Er machte einen massiven Bedeutungswandel  vom „Geisterseher“ hin zum „Glückskind“ durch.

Blumige Redensarten

Herzliche Valentinstagsgrüße!   

Wenn Blumen Hochsaison haben, soll dies als Anlass dienen, sich auch ihre sprachlichen Funktionen in Erinnerung zu rufen.  

Das Wunderland Deutsch entbietet Ihnen zum Valentinstag herzliche Grüße und die folgenden blumigen Redensarten.

  • etwas durch die Blume sagen: jemandem etwas (meist etwas Negatives) vorsichtig zu verstehen geben
  • etwas verblümt sagen: jemandem etwas durch Anspielungen zu verstehen geben (Gegenteil: etwas unverblümt sagen: jemandem die Wahrheit ohne Umschweife ins Gesicht sagen)
  • wie eine Blume auf dem Mist stehen: jemand ist fehl am Platz, passt nicht in seine Umgebung
  • von einer Blume (oder Blüte) zur anderen flattern wie ein Schmetterling: Beschreibung einer Person mit vielen Affären
  • aus jeder Blume Honig saugen wollen: überall seinen Vorteil suchen
  • eine Blume, die im Dunkeln blüht: Sinnbild für Verborgenheit und Bescheidenheit
  • jede Blume verliert zuletzt ihren Duft: alles Schöne vergeht

 Tipp: Wer vergessen hat, Blumen zu besorgen, kann sich vielleicht mit einem Strauß gebundener Redensarten behelfen!

 

Deutsch XXL

Eine Größe für sich  

Das Deutsche ist zusammen mit dem Luxemburgischen die einzige Sprache, in der Substantive und nominal gebrauchte Wortarten generell groß geschrieben werden. 

Geschichte der Großschreibung 

Ursprünglich dienten die Großbuchstaben als Mittel, um die äußere Form, das Aussehen des geschriebenen Textes zu gestalten (z.B. Überschriften, Initialen). Seit dem 13. Jahrhundert wurden mit ihrer Hilfe Eigennamen und Amtsbezeichnungen hervorgehoben (König, Kaiser …). Im Barock schließlich brach eine regelrechte Flut von Großbuchstaben los, um Wörter besonders zu betonen. Es gibt beispielsweise kaum einen Druck aus dieser Zeit, in dem das Wort „Gott“ nicht in Großbuchstaben geschrieben ist. Im Laufe der Zeit bildeten sich die heute gebräuchlichen Regeln heraus, an denen die Aufklärung mit ihrer Auffassung, dass das Substantiv das „Hauptwort“ sei und so große Aufmerksamkeit verdiene, nicht unwesentlich beteiligt war.

Diskussion um die Großschreibung

In der Frage, ob die generelle Großschreibung Hilfe oder eine Erschwernis darstellt, scheiden sich die Gemüter. Die einen hätten sie liebend gern im Zuge der Rechtschreibreform von 1996 zu Grabe getragen und empfinden sie als zusätzlichen Ballast im Dschungel der Orthographie, da die Regeln zur Groß- und Kleinschreibung vielfältig und oft auch für Muttersprachler undurchsichtig sind. Die anderen argumentieren mit Untersuchungen, in denen gezeigt werden konnte, dass ein Text mit groß geschriebenen Substantiven schneller lesbar ist und sich für das Querlesen besser eignet. Das Auge kann sich an den markanten Stellen im Text, den Großbuchstaben, festhalten, wodurch das Lesen erleichtert wird. 

 

Närrische Begrifflichkeiten

Von Karneval, Fastnacht und Fasching 

Karneval

Der Begriff „Karneval“ wird erst seit dem 17. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum verwendet. Er stammt vom italienischen „carnevale“, dessen Herkunft nicht geklärt ist. Man vermutet, dass es sich um eine Umdeutung von mittellateinisch „carnelevale“ („Fleischwegnahme“; während der Fastenzeit) oder lateinisch „carrus navalis“ („Schiffskarren“, die bei festlichen Umzügen zur Wiedereröffnung der Schifffahrt im Frühling verwendet wurden) handelt.

Fastnacht, Fasnacht, Fastelabend

Der in weiten Teilen Deutschlands und der Schweiz gebräuchliche Begriff „Fastnacht“ bedeutet „Vorabend der Fastenzeit“ und leitet sich vom mittelhochdeutschen Ausdruck „vastnaht“ (in der Bedeutung „Vorabend“; um 1200) ab. Es ist bis jetzt ungeklärt, ob der in frühneuhochdeutsch „fasel“ („gedeihen, fruchtbar sein“) enthaltene Stamm mit der Bedeutung „Fruchtbarkeit“ in das heutige Wort mit herein spielt.

Fasching

Die süddeutsche Bezeichnung für Fastnacht, „Fasching“, stammt vom mittelhochdeutschen Wort *vast-ganc („Fastenprozession“). Eine Verbindung gibt es auch zum mittelhochdeutschen Wort „schanc“, das „schenken“ bedeutet und auch im Sinne von „Ausschenken des Fastentrunks“ verstanden wurde.

Was noch wissenswert ist

Es gibt nicht viele Redensarten zu Fastnacht, Fasching und Karneval, was verwundert, wenn man den hohen Stellenwert dieser Festzeit betrachtet. Die wenigen, die zu finden waren, sind „Hinterher kommen wie die alte Fastnacht“ und „Hier ist alle Tage Fastnacht“. Erstere bedeutet, dass jemand zu spät kommt, die zweite meint, dass es ständig so närrisch zugeht wie sonst nur im Karneval.

 

 

Die zehn schwierigsten Grammatikthemen

Stolpersteine der deutschen Sprache

Wie schon Mark Twain befand, haben Deutschlerner mit einigen grammatikalischen Strukturen und Phänomenen mehr Probleme als mit anderen. Wo diese Probleme liegen, hängt in erster Linie davon ab, welche Muttersprache der Lerner spricht, welche anderen Sprachen er bereits gelernt hat und mit welcher persönlichen Einstellung er an das Unterfangen „Jetzt lerne ich Deutsch“ herangeht. Die Meinungen darüber, welche Grammatikthemen zu den schwierigsten der deutschen Sprache gehören, gehen weit auseinander: von Adjektivdeklination und Höflichkeitsform  über Funktionsverbgefüge, Imperativ und Genusregeln bis hin zu Groß- und Kleinschreibung und trennbaren Verben.

Eine definitive Liste der zehn schwierigsten Grammatikthemen kann es nicht geben, aber im Folgenden findet sich eine Zusammenstellung, eine „Hitparade“ der am häufigsten als schwierig bewerteten Bereiche der deutschen Sprache.

  1. Genussystem
  2. Wort- und Satzstellung
  3. Verbakkumulationen*
  4. Verben mit Vorsilben, Modalpartikel
  5. Präpositionen, Deklination
  6. Konjunktiv I, II, indirekte Rede
  7. reflexive Verben, Konjugation der starken Verben und Mischverben
  8. Komposita, Adjektivdeklination
  9. Pluralformen, Verwendung von „es“
  10. Passiv, Pronomen**

* Ein Beispiel eines Forumsteilnehmers: „Derjenige, der denjenigen, der den Pfahl, der an der Brücke, die an der Straße, die nach Bremen führt, liegt, steht, umgeworfen hat, anzeigt, erhält eine Belohnung.“

** Zu den Relativpronomen im Genitiv (deren, dessen) meinte ein Forumsteilnehmer, dass diese Konstruktion sogar seinem deutschen Freund zu schwierig sei: „Imagine: a grammatical construct that the German mind finds too complicated!“